Frank Hellwig

seit 2017 Atelier im LMS

Fotografie, Gummidruck, Projekt "Menschen in Kassel"

1950 in Dortmund geboren

1972-1975 Studium der Sozialpädagogik, FH-Niederrhein

1977-1979 Studium Fotografie und Grafik, FH-Wiesbaden

1979-1983 Studium im Bereich Fotografie an der HBK Kassel bei Floris M. Neusüß und Gunter Rambow

Abbildung: "In der Lehrwerkstatt" Gummidruck, 90x140cm

Der Gummidruck

Beim sogenannten Gummidruck handelt es sich um ein fotografisches Edeldruckverfahren, welches 1858 von dem Engländer John Pouncy zum Patent angemeldet wurde.

Nachdem der Gummidruck im Folgenden für einige Zeit in Vergessenheit geriet, erhielt er durch einige Fotokünstler, z.B. Heinrich Kühn, Hans Watzek und Hugo Henneberg um 1900 wieder neue Bekanntheit.

Entgegen der Malerei war die Fotografie zur Wende des zwanzigsten Jahrhundert nicht salonfähig, daher verhalf dieses an Aquarell-oder Ölgemälde erinnernde Edeldruckverfahren den Künstlern sich in ihrer fotografischen Ausdrucksform der Malerei anzunähern und in der Kunstszene einen Platz zu finden.

Aus gestalterischer Sicht eröffnete die Technik den Foto-Künstlern in der Bilderzeugung einen größeren Spielraum - angefangen von der Wahl des Papiers bis hin zur Farbgebung und der Möglichkeit einzelne Bildelemente zu bearbeiten.

Projekt "Menschen in Kassel"

Im Wohnzimmerschrank meines Elternhauses gab es eine grün gesprenkelte Keks-Dose aus Blech, in der meine Eltern Familienfotos aufbewahrten. Dieser Wohnzimmerschrank stand in einer 45qm großen Wohnung in einem Vorort von Dortmund. Mein Vater war Dreher bei Hoesch, meine Mutter Hausfrau.

Schon als Jugendlicher faszinierten mich die Kinder - und Jugendfotos meiner Eltern und Großeltern, die ich mir - auf dem Teppich vor dem Schrank sitzend - voller Begeisterung immer wieder anschaute.

Da gab es z.B. eine Aufnahme, welche mich als kleinen, etwa dreijährigen "Schornsteinfeger" abbildete, mit Zylinder und geschulterter Leiter.  Oder eine Ablichtung meiner Mutter während ihrer Einschulung, mit der obligatorischen Schultüte.

Die meisten Fotografien von damals zierte der typisch gezackte Büttenrand, der diesen Momentaufnahmen einen würdigen Rahmen verleihen sollte.

Als ich später - während meines Studium der Fotografie in Wiesbaden - begann, mir ein spezielles fotografisches Edeldruckverfahren anzueignen, das sogenannte "Gummidruckverfahren", erinnerte ich mich an diese Fotos. Ich wollte ihnen durch die handwerklich-künstlerische Art des Gummidrucks einen höheren Stellenwert geben, der ihnen meiner Ansicht nach unbedingt zustand. Aus der kleinen grüngesprenkelten Keksdose im Wohnzimmerschrank von damals verwandelten sich diese kleinen Fotos in großformatige Gummidrucke.

So, wie diese kleinen Büttenrand-Fotos meiner Kindheit mit Hilfe des Gummidruckverfahrens in eine für mich besondere Form gehoben wurden, so verarbeite ich Fotos aus der Kindheit von Personen, die aus der Nordhessischen Region stammen und für die Region bedeutsam und auch weniger bedeutsam sind, in großformatige Gummidrucke. Von diesen Personen mache ich ein aktuelles Portraitfoto an einem "Lieblingsplatz" in Ihrer Wohnung. Dieser Personenkreis umschließt bekannte und auch weniger bekannte Persönlichkeiten.

Über den Gummidruck muss noch erwähnt werden, dass er sehr sensibel und ein "übellaunisches Kind" ist. Die Ergebnisse sind alles andere als scharfe Abbildungen, sondern wirken eher schon wie sich verblassende Erinnerungen. So entsteht zwischen dem von mir gemachten Portraitfoto und dem Gummidruck aus der Kindheit eine mögliche Geschichte.

Eigentlich geht es mir bei diesem Projekt um Erinnerung. Zunächst waren es eigene Erinnerungen, später dachte ich daran, dass jeder seine Geschichte und seine Erinnerung hat, die es Wert sind festgehalten zu werden.

Denn "ohne die Kenntnis der Vergangenheit gibt es keine Zukunft" (Wilhelm von Humboldt)